Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) bei Kindern

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) bei Kindern

 Wenn der Darm schon bei Kindern chronisch entzündet ist

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) kennen keine Altersgrenzen: Jedes Jahr werden allein in Deutschland bei 800 bis 1400 Kindern und Jugendlichen ein Morbus Crohn oder eine Colitis ulcerosa festgestellt. Somit machen sich die Darmleiden bei fast einem Viertel aller Betroffenen bereits vor dem 18. Lebensjahr bemerkbar. Etwa jeder Dritte der jugendlichen Patienten ist bei der Diagnose noch keine 10 Jahre alt. Und in den vergangenen Jahren ist die Zahl der erkrankten Kinder und Jugendlichen fast kontinuierlich gestiegen.

Gerade in dieser Altersgruppe kommt es häufig zu einem ausgedehnten Befall und einem aggressiven Verlauf der Erkrankung. Bei Kindern und Jugendlichen mit Morbus Crohn sind öfter als bei Erwachsenen neben dem Darm auch der Mund, die Speiseröhre oder der Magen entzündet. Bei einer Colitis ulcerosa breiten sich die Entzündungen bei Kindern und Jugendlichen öfter als bei Erwachsenen über den gesamten Dickdarm aus. Mediziner sprechen in diesem Fall von einer Pankolitis.

Oft lässt sich bei Kindern eine CED gar nicht genau eingrenzen

Häufiger als bei Erwachsenen kommt es bei den sehr jungen Patienten zudem vor, dass der Arzt gar nicht genau erkennen kann, ob ein Morbus Crohn oder eine Colitis ulcerosa vorliegt. In diesem Fall lautet die Diagnose Colitis indeterminata. Besonders oft wird sie gestellt, wenn die Krankheit schon im Grundschulalter ausbricht und wenn bei den Betroffenen große Teile des Dickdarms entzündet sind. Gerade bei einem sehr frühen Krankheitsbeginn scheint sich eine CED darüber hinaus schneller zu verschlechtern, als wenn sie erst im jungen Erwachsenenalter oder noch später ihren Lauf nimmt.

Da chronisch-entzündliche Darmerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen mit Störungen des Wachstums und der Entwicklung einhergehen können, sind eine exakte Diagnose und sorgfältige Therapie ganz besonders wichtig. Denn schlecht oder gar nicht behandelt führen die ständigen Entzündungen im Verdauungstrakt oft dazu, dass die Kinder kleiner und leichter als ihre gesunden Altersgenossen bleiben, dass die Pubertät bei ihnen nicht oder nur verzögert einsetzt und dass die Jugendlichen ihre Sexualität nur mit erheblichen Einschränkungen erleben.

Wichtigstes Warnsignal einer CED ist ein Wachstumsstopp

Oft vergeht jedoch gerade bei Kindern und Jugendlichen viel Zeit bis zur richtigen Diagnose. Insbesondere bei Kindern lassen Beschwerden wie Appetitlosigkeit, Bauchweh und Durchfall vielfach zunächst an andere Ursachen denken – zumal diese Symptome längst nicht immer alle gleichzeitig auftreten. Häufig sind die typischen Beschwerden einer CED bei Kindern auch gar nicht zu finden.

In diesem Fall macht sich die Erkrankung meist erst dann bemerkbar, wenn das Kind nicht altersgerecht wächst oder es nicht mehr an Gewicht zunimmt. Stellen die Eltern oder der Kinderarzt solche Wachstums- und/oder Entwicklungsverzögerungen fest, sollte so rasch wie möglich ein Gastroenterologe aufgesucht werden, der sich auf die Behandlung von Kindern spezialisiert hat.

Es ist sehr wichtig, einen Arzt zu finden, der sich sowohl mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen als auch mit den Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen auskennt. Solche Ärzte nennen sich pädiatrische Gastroenterologen, Kinder- und Jugend-Gastroenterologen oder Kinder- und Jugendärzte für Magen-Darm-Erkrankungen. Der Name und die Adresse eines geeigneten Arztes oder einer Klinik im näheren Umkreis lassen sich bei der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (www.gpge.de) erfragen.

Medikamente sollen den Kindern einen normalen Alltag ermöglichen

Die medikamentöse Therapie von Kindern und Jugendlichen ähnelt der von Erwachsenen, wenngleich die eingesetzten Arzneien in der Regel natürlich in niedrigerer Dosierung verabreicht werden. Zur Wahl stehen die folgenden vier Medikamentengruppen, aus denen der Facharzt – natürlich in Absprache mit den Eltern und bei älteren Jugendlichen auch mit diesen selbst – in Abhängigkeit vom individuellen Verlauf der Erkrankung die am besten geeigneten auswählt:

  • Aminosalizylate
  • Kortison-Präparate
  • Immunsuppressiva
  • Biologika

Ziel jeder medikamentösen Therapie ist es zunächst einmal, die akuten Beschwerden zu lindern – um auf diese Weise Einschränkungen des täglichen Lebens, etwa beim Spielen, in der Schule und beim Sport, zu vermeiden. Darüber hinaus sollen die Medikamente Schübe verhindern, Verzögerungen im Wachstum und in der Entwicklung abwenden und die Entzündungen im Darm sowie im restlichen Verdauungstrakt (oder auch an anderen Organen wie beispielsweise der Augen oder der Haut) möglichst dauerhaft abheilen lassen, um Komplikationen der CED vorzubeugen.

Nicht immer lässt sich eine Operation abwenden

Ein weiteres Ziel der Behandlung mit Medikamenten ist es, eine Operation möglichst lange hinauszuzögern oder auch gänzlich unnötig zu machen. Erforderlich wird ein chirurgischer Eingriff allerdings dann, wenn die Krankheit durch Arzneien allein nicht in den Griff zu bekommen ist und eventuell sogar schon Komplikationen aufgetreten sind. Beim Morbus Crohn sind dies beispielsweise Darmverengungen, Fisteln oder Abszesse. Bei einer Colitis ulcerosa sind insbesondere Darmblutungen und die Überdehnung des Dickdarms gefürchtet.

Eine Operation bei Kindern und Jugendlichen sollte grundsätzlich nur in einer Klinik vorgenommen werden, die auf solche Eingriffe in dieser Altersgruppe spezialisiert ist. Auch hier gibt es entsprechende Adressen bei der medizinischen Fachgesellschaft, der DGPE.

Bei Morbus Crohn kann auch eine Ernährungstherapie helfen

Bei Kindern, die an Morbus Crohn leiden, scheint sich eine weitere Behandlungsmethode bewährt zu haben. Dabei handelt es sich um die sogenannte Ernährungstherapie. Studien haben gezeigt, dass sie ähnlich gute Ergebnisse liefert wie eine Behandlung mit Kortison-Präparaten. Die Kinder erhalten dabei eine spezielle Flüssigkeit mit hochkonzentrierten Nährstoffen, die entweder getrunken oder dem Körper über eine Sonde zugeführt wird.

Auf diese Weise wird gewährleistet, dass der Organismus alle Nährstoffe erhält, die er für sein Wachstum und seine Entwicklung braucht. Die Ernährungstherapie, die meist über einen Zeitraum von mehreren Wochen hinweg durchgeführt wird, kann die normale Ernährung komplett oder nur teilweise ersetzen. Im ersten Fall spricht man von einer TEN (total enteral nutrition, auf Deutsch: totale enterale Ernährung). Die zweite Variante nennt sich PEN (partial enteral nutrition, auf Deutsch: teilweise enterale Ernährung).

Gerade bei Jugendlichen leidet häufig auch die Psyche

Bei Kindern und Jugendlichen ist die Lebensqualität durch eine CED oft besonders stark beeinträchtigt. Schon früh im Leben müssen sie sich mit dem Thema Krankheit auseinandersetzen und viele ihrer Tage mit Bauchschmerzen, Durchfällen und der Einnahme von Medikamenten verbringen. Oft fällt es ihnen dadurch schwer, in der Schule gut mitzukommen oder an Freizeitaktivitäten teilzunehmen.

Insbesondere Teenager leiden oft sehr unter einer CED. Sie fühlen sich weniger aktiv und attraktiv als ihre gesunden Freunde und haben vielfach Angst vor sozialer Isolation. Jeder Krankheitsschub, der ständige Durchfälle mit sich bringt, kann eine geplante Unternehmung mit der Clique unmöglich machen. In einer Zeit, in der die Gefühle ohnehin gerne Achterbahn fahren, kann dies leicht zu depressiven Verstimmungen oder zu einer echten psychischen Erkrankung führen. Eine gute Betreuung durch einen Psychologen oder Psychotherapeuten leistet in solchen Situationen wertvolle Hilfe – und sollte die Behandlung durch den Gastroenterologen dann auch unbedingt ergänzen.

Irgendwann steht der Wechsel zu einem Arzt für Erwachsene an

Während der Pubertät ändert sich Vieles: der Körper, die Gefühle und auch die Verantwortung, die man nach und nach für sich selbst übernimmt. Mit Beginn des Erwachsenenlebens steht für Jugendliche, die an Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa leiden, noch ein weiterer wichtiger Wechsel an: der vom Kinder- und Jugend-Gastroenterologen zum Erwachsenen-Gastroenterologen.

Dieser Übergang, auch Transition genannt, sollte gut vorbereitet sein, um Unterbrechungen der ärztlichen Betreuung und Therapie zu vermeiden. Oft ist der bisher behandelnde pädiatrische Gastroenterologe über all die Jahre hinweg zu einem engen Vertrauten geworden, weshalb der Arztwechsel vielen Patienten nicht leichtfällt. Am besten ist es daher, wenn bei der Transition alle Beteiligten eingebunden sind: der Jugendliche, die Eltern, der alte und der neue Arzt.

Das Leben als erwachsener Patient darf und soll geübt werden

Wann der richtige Zeitpunkt für den Wechsel zum Erwachsenen-Gastroenterologen gekommen ist, lässt sich pauschal nicht sagen. Jeder Mensch entwickelt sich anders und deshalb muss auch jeder CED-Patient den für ihn passenden Zeitpunkt selber wählen. Ein paar Anhaltspunkte gibt es aber:

Der angestrebte Wechsel ist sinnvoll

  • zwischen dem 16. und 23. Lebensjahr,
  • wenn sich der Patient in einer schubfreien Phase befindet,
  • wenn das restliche Leben gerade nicht allzu turbulent ist, man also weder im Prüfungsstress steht, noch den ersten großen Liebeskummer durchleiden muss,
  • wenn ohnehin ein Umzug in eine andere Stadt ansteht, weil man dort eine Ausbildung oder ein Studium beginnt.

Erleichtert wird die Transition auch, indem der Jugendliche ganz allmählich mehr eigene Verantwortung für seine Krankheit übernimmt. Er kann beispielsweise Fragen des Kinder-Gastroenterologen zunehmend selbst beantworten, anstatt dies, wie es oft üblich ist, seinen Eltern zu überlassen.

Er kann auch selber Termine ausmachen oder sich ein neues Rezept besorgen und selbst an die Einnahme der Medikamente denken. Smartphones besitzen übrigens eine für solche Zwecke sehr gut geeignete Erinnerungsfunktion. Und schließlich kann der Jugendliche zum ersten Mal ganz alleine einen Arzttermin wahrnehmen. Wer den erfolgreich absolviert, ist für den Wechsel zum Erwachsenen-Gastroenterologen bestens gewappnet.

Quellen:
Pressemitteilung der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung (GPGE) vom 12. November 2018
Monatsschrift Kinderheilkunde 2010; 158(8):745-751
https://www.dgvs.de/wp-content/uploads/2016/11/DGVS_Empfehlung_fuer_Diagnistik_und_Therapie_des_Morbus_Crohn.pdf
https://www.dgvs.de/wp-content/uploads/2018/10/LL-Colitis-Ulcerosa-2018.pdf
Zeitschrift für Gastroenterologie 2014;52:1431-1484

 

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