Sexuelle Funktionsstörungen gehören besonders bei Frauen zu den häufigsten, aber zugleich am wenigsten thematisierten Begleiterscheinungen chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (CED). Eine systematische Übersichtsstudie wertete Daten aus 18 Studien mit über 36.000 CED-Betroffenen aus. Das Ergebnis: 53 Prozent der Frauen mit CED leiden unter sexuellen Funktionsstörungen. Bei Männern mit CED lag der Wert in derselben Analyse mit 27 Prozent nur halb so hoch. In einer weiteren, weltweiten Studie lag der Anteil der betroffenen Frauen sogar bei über 60 Prozent.1,2
Sexuelle Funktionsstörungen bei Frauen können verschiedene Beschwerden umfassen wie:3
Vermindertes sexuelles Verlangen (Libidomangel)
Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie)
Schwierigkeiten, erregt zu werden oder einen Orgasmus zu erreichen
Vaginale Trockenheit oder Brennen
Negative Gedanken während sexueller Aktivität (z. B. Ekel oder Angst)
All diese Aspekte sind bei Frauen mit CED häufiger als in der gesunden Allgemeinbevölkerung.
Viele Frauen fürchten sich vor Darmbeschwerden wie Blähungen, Schmerzen oder ungewolltem Stuhlabgang während des Geschlechtsverkehrs. Vor allem bei Morbus Crohn treten häufig perianale Fisteln oder Narben im Vaginalbereich auf, die Sex schmerzhaft oder unmöglich machen können.2,3
Auch Medikamente wie Kortikosteroide, Immunsuppressiva oder bestimmte Schmerzmittel, die bei CED zum Einsatz kommen, können die Libido oder das sexuelle Empfinden dämpfen. CED wirkt sich außerdem oft auf den Hormonhaushalt aus. Chronische Entzündungen, Untergewicht oder Mangelernährung können die Funktion der Eierstöcke stören. Die Folge sind Zyklusstörungen und eine verminderte Östrogenproduktion. Daraus resultieren bei einigen Frauen vaginale Trockenheit oder Libidomangel.3
Zudem spielen psychosoziale Aspekte eine große Rolle. Einige empfinden ihren Körper als krank, unattraktiv oder gar ekelerregend – insbesondere mit sichtbaren Veränderungen wie Narben, einem Stoma oder einem aufgeblähten Bauch. Psychische Begleiterkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen sind bei CED-Betroffenen weit verbreitet und gelten als Risikofaktor für sexuelle Störungen.1,3
Eine chronische Darmerkrankung stellt für viele Beziehungen eine Belastungsprobe dar. Missverständnisse, Rückzug oder der Verzicht auf Intimität führen nicht selten zu emotionalen Problemen auf beiden Seiten.5
Auch mit einer chronischen Darmerkrankung darf und kann Sexualität erfüllend sein. Offene Kommunikation ist die Voraussetzung für ein funktionierendes Sexualleben. Folgende Tipps im Umgang mit CED können helfen:1,3,5
Gynäkologische Abklärung: Schmerzen beim Sex oder vaginale Trockenheit sollten gynäkologisch abgeklärt werden. Manchmal helfen schon Gleitmittel oder hormonfreie Feuchtcremes.
CED-spezifische Therapieanpassung: Manche Medikamente beeinflussen das sexuelle Empfinden. Eine Änderung oder Ergänzung der Medikation kann sinnvoll sein.
Sexual- oder Verhaltenstherapie: Eine begleitende Therapie kann helfen, negative Denkmuster, Scham oder Partnerschaftskonflikte zu bearbeiten. Studien zeigen, dass psychologische Unterstützung bei den CED-bedingten Sexualproblemen die Lebensqualität deutlich verbessert.
Ein ehrlicher Austausch mit der Partnerin oder dem Partner über Ängste, Wünsche und Grenzen hilft in vielen Fällen, mit den Problemen besser klarzukommen. Andere Wege – außerhalb des klassischen Geschlechtsverkehrs – zu finden, um sexuelle Wünsche auszuleben, ist bei der Überwindung von sexuellen Blockaden oft hilfreich. Der Austausch mit anderen CED-Betroffenen – etwa in Selbsthilfegruppen oder Online-Foren – kann dabei neue Perspektiven eröffnen.
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Referenzen
Zhang, J. et al. Prevalence and risk factors of sexual dysfunction in patients with inflammatory bowel disease: systematic review and meta-analysis. Int J Colorectal Dis 36, 2027–2038 (2021). https://link.springer.com/article/10.1007/s00384-021-03958-y Abruf: 18.07.2025
Zhang, X. et al. The prevalence and risk factors of sexual dysfunction among females with inflammatory bowel disease: a systematic review and meta-analysis. Int J Impot Res. 2024;36(5):463-473. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37759098/ Abruf: 18.07.2025
Perez de Arce, E. et al. Sexual Dysfunction in Inflammatory Bowel Disease: What the Specialist Should Know and Ask. Int J Gen Med. 2021 May 24;14:2003–2015. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC8163621/ Abruf: 18.07.2025
Crohn Colitis Schweiz. Intimität trotz CED. https://www.crohn-colitis.ch/wp-content/uploads/fokus_INTIMITAET.pdf Stand: 08/2018, Abruf: 18.07.2025
Crohn’s and Colitis Young Adults Network (CCYAN). Navigating Relationships with IBD. https://www.ccyanetwork.org/news/category/Relationships%2B%26%2BDating Stand: 27.05.2021, Abruf: 18.07.2025
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