Fortschritte in der Diabetes-Forschung – Heilung in Sicht?

Fortschritte in der Diabetes-Forschung – Heilung in Sicht?

Diabetes gehört mit etwa 6,7 Millionen Patienten und einer sehr hohen Dunkelziffer zu den am weitesten verbreiteten Volkskrankheiten in Deutschland. [1] Deshalb bildet die Erforschung von Diabetes einen Schwerpunkt in der Gesundheitsforschung. Hier wollen wir vor allem den Fokus legen auf die Forschungsergebnisse, die direkt den Diabetes-Patienten zugutekommen, weniger auf Ergebnisse der Grundlagenforschung. Zu letzterem finden Sie Informationen im Artikel zur Geschichte des Diabetes.

Intelligentes Insulin

Um Menschen mit Diabetes den Alltag mit der Krankheit zu erleichtern, tüfteln Forscher schon länger an einem intelligenten Insulin. So hat das Forscherteam um den Biochemiker Danny Chou von der University of Utah ein lang wirkendes Insulin entwickelt, das sich selbst aktiviert, wenn der Blutzuckerspiegel steigt. Tests an zuckerkranken Labormäusen zeigen, dass eine Injektion mindestens 14 Stunden lang wirksam war. In dieser Zeit senkte es den Blutzuckerspiegel mehrfach automatisch, sobald die Mäuse eine Zuckermenge erhielten, die einer normalen Futter-Mahlzeit entsprach.

Das chemisch veränderte Insulin würde in identischer Art und Geschwindigkeit die Blutzuckerwerte auf einen sicheren Pegel senken wie körpereigenes Insulin. “Unser Insulin scheint den Blutzucker besser zu kontrollieren als alles, was derzeit für Diabetes-Patienten erhältlich ist”, sagt Chou.

Die Forscher hoffen, dass das neue Insulin in einigen Jahren auch an Menschen getestet werden kann. Wenn die Studien positiv verlaufen, würde das zu einer erheblichen Erleichterung für viele insulinpflichtigen Diabetiker führen.

Intelligentes Insulinpflaster

Eine innovative Methode zur Messung des Blutzuckers bei Diabetes-Patienten haben US-Forscher entwickelt. Ein mit Hunderten mikroskopisch kleiner, insulingefüllter Nadeln gespicktes Pflaster reguliert den Blutzuckerwert ohne Messen und Injektionen.

Die Mikronadeln des Pflasters enthalten spezielle Vesikel. Vesikel sind winzige Fettbläßchen, in denen sich Insulin und ein Enzym befindet, das Glucose (Traubenzucker) abbaut. Kommen die Vesikel in eine glucosereiche Umgebung, dringt die Glucose in das Innere der Vesikel ein und wird dort von den Enzymen abgebaut. Weil dabei Sauerstoff verbraucht wird, fällt das Vesikel auseinander, und Insulin wird freisetzt. Sinkt der Glucosegehalt in der Umgebung, stoppt dieser Prozess wieder.

Die intelligenten Pflaster wurden im Tierversuch bereits erfolgreich getestet. Bis das Mikronadelpflaster klinisch einsetzbar ist, sind aber noch weitere Studien nötig.

Bio-Reaktor

Erstmals gelang es Forschern an der Technischen Universität in Dresden einen Patienten mit Typ-1-Diabetes fast ein Jahr lang mit Insulin aus einem implantierten Bio-Reaktor zu versorgen. Es handelt sich dabei um eine Kapsel, in der sich gespendete Betazellen befinden, die den Körper je nach Bedarf automatisch mit Insulin versorgen. Die Verkapselung der Zellen in einer speziellen Membran erspart dem Patienten die riskante medikamentöse Unterdrückung der Immunantwort, die normalerweise bei Transplantationen auftritt. Man erwartet, dass dieses System in ca. 4–5 Jahren den Patienten zur Verfügung steht.

Künstliche Bauchspeicheldrüse (Artificial Pankreas)

2015 hat ein australischer Junge als einer der ersten Menschen eine künstliche Bauchspeicheldrüse erhalten. Der vierjährige Patient, der an Diabetes-Typ-1 erkrankt ist, bekam das Gerät nicht in seinen Körper implantiert, es ist vielmehr durch eine Reihe von Schläuchen unter der Haut mit dem Organismus des Jungen verbunden. “Die Technologie ahmt die biologische Funktion der Bauchspeicheldrüse nach, um niedrige Blutzuckerspiegel vorherzusehen und die Zufuhr von Insulin zu stoppen”, so das Gesundheitsministerium von Western Australia. „Das verhindert die gefährlichen Folgen einer Unterzuckerung wie Koma, Anfälle und möglichen Tod.“ Dies in Verbindung mit der Tatsache, dass die Pumpe automatisch wieder Insulin ausschüttet, wenn sich der Blutzuckerspiegel erholt, ist ein echter medizinischer Fortschritt.

Derzeit (2017) ist allerdings noch kein System kommerziell verfügbar, 2 Systeme sollen in den nächsten Jahren am europäischen Markt erscheinen. Weitere  Systeme weltweit sind in der Erprobung.

Zellforschung

Diabetes-Typ-1 wird durch den Ausfall der insulinproduzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse verursacht. Es ist daher logisch, wenn die Forschung genau an diesen Zellen angreift. Es gibt einige Ansätze, diese Zellen durch funktionierende Zellen zu ersetzen. So könnte man:

  • andere Körperzellen zur Insulin-Produktion umprogrammieren,
  • aus Stammzellen Insulin-produzierende Pankreaszellen bilden. (Stammzellen sind noch undifferenzierte Körperzellen, die sich in verschiedene Zelltypen oder Gewebe ausdifferenzieren können.)
  • Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie (Göttingen) ist es bei Mäusen bereits gelungen, Vorläuferzellen der Bauchspeicheldrüse in Insulin-bildende Zellen umzuwandeln. [2]

Neue Medikamente gegen Insulinresistenz

Diabetes-Typ-2 gilt bislang als unheilbar, nur die Symptome lassen sich bekämpfen. Ein neues Medikament zeigt jedoch im Tierversuch bereits vielversprechende Erfolge und könnte die Krankheit vielleicht sogar rückgängig machen.

Wissenschaftler vom La Jolla Institute for Allergy and Immunology entwickelten ein Medikament, das ein Enzym hemmt mit dem Namen LMPTP (Low-Molecular Protein Tyrosine Phosphatase). Dieses LMPTP ist für die Insulinresistenz des Körpers verantwortlich. Das Medikament gaben die Forscher Labormäusen, die durch eine hochkalorische Diät einen Diabetes-Typ-2 entwickelt hatten. Durch täglich eine Dosis des LMPTP-Hemmers erreichten die Wissenschaftler, dass die Zellen wieder auf Insulin reagierten und der Blutzuckerspiegel sank.

Als Nächstes wird der Arzneistoff in klinischen Tests am Menschen ausprobiert. Sollte das Medikament auch bei Diabetikern funktionieren, dürfte dies ihre Behandlung revolutionieren. Der LMPTP-Hemmer wirkt allerdings nur, wenn die Bauchspeicheldrüse überhaupt noch Insulin produziert. In allen anderen Fällen muss es weiterhin zugeführt werden. [3]

Literatur
[1] Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG): Neue Präventions- und Behandlungskonzepte bei Diabetes
[2] Collombat P. et. al.: The Ectopic Expression of Pax4 in the Mouse Pancreas Converts Progenitor Cells into α and subsequently β Cells. Cell 2009
[3] Spektrum der Wissenschaft: Endlich ein Heilmittel für Diabetes gefunden 

Kommentare