In Deutschland kommt etwa jedes zehnte Kind zu früh auf die Welt. Während die normale Schwangerschaftsdauer im Mittel 40 Wochen beträgt, spricht man bereits bei Geburten vor der 37. Schwangerschaftswoche von einer Frühgeburt. Ob Frühchen Spätfolgen davontragen, ist dabei stark davon abhängig, wie weit diese schon entwickelt sind – also wie viel zu früh sie das Licht der Welt erblicken.
Ab wann ist eine Frühgeburt unbedenklich?
Während die Grenze der Überlebenschance bei einer Frühgeburt um 1970 noch bei der 30. Schwangerschaftswoche lag, ist sie heute bereits bei der 22.-24.. Das jüngste Frühchen Europas war sogar nur 21 Wochen alt und wog gerade einmal 460 Gramm. Trotz stetiger Verbesserung bei der Behandlung von Neugeborenen, ist eine Frühgeburt jedoch nie gänzlich unbedenklich und in knapp einem Drittel der Fälle die Ursache für einen neonatalen Tod (innerhalb der ersten 28 Lebenstage). Dabei kann jede Woche entscheidend sein. So haben 50% aller Frühchen, die in der 23. Schwangerschaftswoche geboren werden, eine Chance die frühe Geburt zu überstehen – eine Woche zuvor liegen die Chancen deutlich darunter.
Was sind bei Frühchen Spätfolgen?
Auch, wenn nach einer überstandenen Frühgeburt Risikofaktoren immer geringer werden, können Langzeitfolgen bis ins Erwachsenenalter hin auftreten. Für eine Bewertung der Risiken hilft es zu verstehen, wie die Entwicklung eines Kindes im Mutterleib verläuft: Im ersten Trimenon (dem ersten von drei Drei-Monats-Abschnitten, in die eine Schwangerschaft üblicherweise eingeteilt wird), findet die Embryogenese statt. Hier bilden sich alle wesentlichen Organanlagen aus. Erst im 2. und 3. Trimenon reifen Organe, wie beispielsweise Nieren und Lunge vollständig aus und es findet eine weitere Differenzierung und Wachstum statt. Zudem entwickeln sich das zentrale Nervensystem und der Magen-Darm-Trakt bis zuletzt weiter und beide profitieren von jeder Woche, in der sie voll ausreifen können. Entsprechend können Frühgeborene Spätfolgen davontragen, die sich auf ebendiese Entwicklungsphasen zurückführen lassen. Häufig handelt es sich dabei um asthmatische Erkrankungen, Aufmerksamkeitsstörung wie (ADHS) oder Lernschwächen, die selbst im Erwachsenenalter noch zu schaffen machen können.
Zu frühen Folgen, die meist unmittelbar nach der Geburt auftauchen gehören:
- Atmungsstörungen
- COPD (chronische obstruktive Lungenerkrankung)
- Stimmungsstörungen wie Depression oder Angststörungen
- Hirnblutungen und daraus folgende Behinderungen, wie Zerebralparese
- Innere Blutungen
- Infektionskrankheiten
- Gelbsucht
- Gehirnschäden
- Autismus
- Bluthochdruck
- Epilepsie
- Verdauungsprobleme
- Funktionelle Probleme der Nieren
- Sehstörungen
- Hörschäden
- Probleme mit der Regulierung der Körpertemperatur
- Trinkstörungen
Es gilt: je geringer das Entwicklungs-Defizit, desto besser stehen nach einer Frühgeburt die Chancen für eine normale Entwicklung. Fachärzte unterscheiden dabei drei Stadien:
Früh geborene Kinder: 32. bis 37. Woche
Sehr früh geborene Kinder: 28. bis 31. Woche
Extrem früh geborene Kinder: 28. Woche oder früher
Die meisten Frühgeborenen sind im Alter von 9 Jahren zwar kleiner als ihr Altersdurchschnitt, sie entwickeln sich nach überstandener turbulenter Anfangszeit aber zu gesunden Kindern und Erwachsenen. Bei extremen Frühchen mit einem Geburtsgewicht von unter 1000g kommt jedoch nur ca. jedes vierte Kinder unbeschadet aus einer Frühgeburt. Die große Mehrheit weist teils mehrfache Behinderung, psychische Störungen, kognitive Beeinträchtigungen oder andere körperliche Erkrankung auf.
Kann man Spätfolgen bei Frühgeborenen verhindern?
Leider lässt sich defizitäre Entwicklung von Neugeborenen unmittelbar nach der Geburt nicht ohne weiteres „nachholen“. Die akute Behandlung von Frühchen kann sich sogar negativ auf deren Gesundheit auswirken. Der Druck, der durch eine oft unvermeidbare künstliche Beatmung entsteht, kann unter Umständen beispielsweise zu Problemen mit der Lunge führen. Die größtmögliche Chance besteht daher darin, präventive Maßnahmen zu ergreifen, die eine Frühgeburt im besten Fall verhindern.
Die Ursachen für Frühgeburten sind jedoch vielfältig, komplex und multifaktoriell und ihre Zusammenhänge und additiven Wirkungen noch immer nicht vollständig geklärt. Folgende Konstellationen erhöhen jedoch auch die Risiken einer Fehlgeburt und können daher im Vorfeld und während einer Schwangerschaft mit Fachärztin, Facharzt oder Hebamme geklärt und/oder berücksichtigt werden:
- Schwangerschaft bei Minderjährigen
- Schwangerschaft im hohen Alter
- Erhöhte Stressbelastung während der Schwangerschaft
- Genitale Infektionen und Infektion der Fruchthöhle
- Geringer Abstand zu vorangegangener Schwangerschaft
- Mehrlingsschwangerschaften
- HELLP-Syndrom (Hämolyse, erhöhte Leberwerte, niedrige Blutplättchen)
- Schwangerschaftsgestose, Präeklampsie, Eklampsie
- Erhöhte Fruchtwassermenge, (z.B. bei fetalen Schluckstörungen)
- Vorzeitiger Blasensprung der Fruchtblase
- Schwäche des Muttermundverschlusses (Zervixinsuffizienz)
- Ungünstiger Plazentasitz, (z.B. Plazenta prävia mit Blutungen)
- Plazentainsuffizienz mit Wachstumsretardierung des Feten
- Vorzeitige Plazentalösung
COMMENTS