Organspende bei HIV

Organspende bei HIV

Die Liste von Patientinnen und Patienten, die ein Spenderorgan benötigen, ist lang. Allein in Deutschland waren das 2022 knapp 8.500 Menschen. Die Allermeisten warten auf eine Niere, mit weitem Abstand folgt die Leber. Auch Menschen mit HIV warten auf eine Spenderniere.1

Erste Erfolge: Lebendspenden bei HIV-positiven Menschen

In anderen Ländern hat die Diskussion rund um Organspenden HIV-positiver Menschen bereits Fahrt aufgenommen. Allererste Erfahrungen mit der Organverpflanzung zwischen HIV-Infizierten sammelten Medizinerinnen und Mediziner in Südafrika. Darüber berichtete 2010 „The New England Journal of Medicine” (NEJM).2

Es folgten die USA. Auch hier beschäftigten sich Medizin und Wissenschaft intensiv mit der Thematik. 2019 transplantierten Chirurgen erstmals eine Niere einer HIV-infizierten Organspenderin in den Körper eines ebenfalls infizierten Empfängers. „Es ist das erste Mal weltweit, dass jemand, der mit HIV lebt, eine Niere spenden darf, und das ist gigantisch“, sagte Dr. Dorry Segev von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore.3,4

Derzeit wird in den USA weiter untersucht, ob Menschen mit HIV- anderen HIV-infizierten Menschen eine Niere spenden können. Nach ersten Erfahrungen an drei US-Universitätskliniken scheint auch die Lebendspende ohne große Gefahren für Spendende möglich zu sein. Spender und Empfänger wurden vorab sorgfältig untersucht und die Viruslast genau überprüft.4

Deutschland zurückhaltend bei Organspenden von HIV-positiven Menschen

Obwohl die Studienlage vielversprechend scheint, werden in Deutschland keine Lebendspenden zwischen HIV-infizierten Menschen durchgeführt. „Eine Organspende, sowohl bei lebenden als auch verstorbenen Spendern, ist rechtlich genau reguliert, stellt aber immer eine hochkomplexe Einzelfallentscheidung dar“, sagt Prof. Dr. Sibylle von Vietinghoff, Gesamtleitung der Nephrologie der Medizinischen Klinik und Poliklinik I am Universitätsklinikum Bonn. „Bei der Lebendspende steht vor dem Ziel, dem Empfänger zu nutzen, der möglichst geringe (mögliche) Schaden für den Spender an erster Stelle. Bei ihm oder ihr müssen wir nicht nur Akutkomplikationen, sondern auch das Risiko eines späteren eigenen Nierenversagens abschätzen. Vorerkrankungen eines potentiellen Spenders, die dies erhöhen, sind deswegen ein häufiger medizinischer Ausschlussgrund einer Spende.“

Organtransplantationen von Nichtinfizierten auf HIV-Infizierte werden in der Bonner Uniklinik schon länger durchgeführt. In Deutschland können laut den Richtlinien der Bundesärztekammer Menschen mit HIV seit 2003 auf die Warteliste für ein nicht-infiziertes Spenderorgan wie Niere und Leber aufgenommen werden.2

Wann Lebendspenden in Deutschland erlaubt werden, ist nicht absehbar. „Ich gehe davon aus, dass eine Änderung der Richtlinien, die insbesondere für die Übertragung von Organen Verstorbener auch im Eurotransplantraum abgestimmt werden müssen, wenn, nur sehr schrittweise und vorsichtig erfolgen wird“, sagt Professor von Vietinghoff. „Ein erster Schritt wäre die Öffnung der Übertragung von Organen Infizierter auf Infizierte. Auch das ist medizinisch komplex. Und auch wenn dies in der aktuellen epidemiologischen Lage wahrscheinlich die Zahl an Transplantationen nicht signifikant erhöhen würde, könnte es psychologisch ein wichtiges Signal sein.“

Umdenken setzt langsam ein

Dass im Ausland inzwischen erste Transplantationen durchgeführt wurden, unterstreicht das Vertrauen der Ärztinnen und Ärzte in die Fortschritte der HIV-Behandlung. Möglich macht es die verbesserte HIV-Therapie mit anti-retroviralen Medikamenten (ART). Sie unterdrücken die Vermehrung der HI-Viren im Körper.3

Das Thema Spendereignung unterliegt einem ständigen Wandel. Gesundheitliche Ausschlusskriterien und Voraussetzungen werden geprüft und angepasst. So dürfen, was lange nicht erlaubt war, Verstorbene mit Brustkrebs unter bestimmten Umständen Organe spenden.6

Es bleibt abzuwarten, wann sich in Deutschland und Europa die Richtlinien für Lebendspenden zwischen HIV-Infizierten ändern werden.

Fragen & Antworten: Organspende bei HIV

Alles rund um die Organ- und Gewebespende und gesetzliche Regelungen in Deutschland finden sich in der Broschüre der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) unter: https://shop.bzga.de/pdf/60190100.pdf

Wichtiger Hinweis
Um die hohe Qualität unserer Inhalte sicher zu stellen, wurde dieser Text von unserem Team aus Apothekerinnen und Apothekern geprüft. Die bereitgestellten Inhalte dienen lediglich der Information und ersetzen keine medizinische Beratung oder Behandlung durch einen Arzt oder eine Ärztin. Die Texte sind nicht zur eigenständigen Diagnose und Beginn, Änderung oder Beendigung einer Behandlung von Krankheiten gedacht.

Referenzen

  1. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Organspende; https://www.organspende-info.de/zahlen-und-fakten/statistiken/, Stand: 2023. Abgerufen: 07.02.2024
  2. Ärztezeitung: Diskussion um Organe von HIV-Infizierten. https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Diskussion-um-Organe-von-HIV-Infizierten-287850.html; Veröffentlicht: 13.04.2011, Abgerufen: 07.02.2024
  3. ntv Wissen: Medizinischer Durchbruch: Erste Organtransplantation bei HIV-Infizierten; https://www.n-tv.de/wissen/Erste-Organtransplantation-bei-HIV-Infizierten-article20935431.html; Veröffentlicht: 29.03.2019, Abgerufen: 07.02.2024
  4. aerzteblatt.de Ausland: Frau mit HIV spendet Niere an HIV-infizierten Patienten; https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/102047/Frau-mit-HIV-spendet-Niere-an-HIV-infizierten-Patienten; Veröffentlicht: 29.03.2019, Abgerufen: 07.02.2024
  5. aerzteblatt.de Medizin: Lebendspende von HIV-positiven Menschen scheint sicher. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/144840/Lebendnierenspende-von-HIV-positiven-Menschen-scheint-sicher; Veröffentlicht: 26.07.2023, Abgerufen: 07.02.2024
  6. BZgA Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärug: Welche Vorerkrankungen schließen eine Organspende aus? https://www.organspende-info.de/blog/welche-vorerkrankungen-schliessen-eine-organspende-aus/; Stand: 08.12.2023, Abgerufen: 07.02.2024

Bildnachweise

Titelbild: AdobeStock

COMMENTS