Wie sage ich es dem Kind? Tipps für HIV-positive Menschen

Wie sage ich es dem Kind? Tipps für HIV-positive Menschen

Ein Patentrezept gibt es nicht. Ob, wann und wie Eltern oder Angehörige mit Kindern reden sollten, unterscheidet sich von Fall zu Fall. Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle. Wer sich entschließt, ein Kind über die eigene HIV-Infektion aufzuklären, sollte sich gut auf das Gespräch und mögliche Fragen vorbereiten. Hier finden Sie hilfreiche Tipps.  

Dank großer Fortschritte in der Medizin haben Menschen mit einer HIV-Infektion gute Aussichten noch lange gesund zu bleiben und ein gutes Leben zu führen.1 Dennoch sind HIV-infizierte Menschen und auch deren Angehörige immer noch vielen Anfeindungen ausgesetzt. Daher ist es verständlich, wenn Eltern mit HIV ihre Kinder schützen möchten. So tun sich viele schwer, über eine HIV-Infektion zu informieren. Auch wenn nahe Angehörige HIV haben, wird darüber häufig geschwiegen. 

Unausgesprochenes kann belasten

Doch es ist nicht unbedingt sinnvoll, Kinder immer vor allem schützen zu wollen. Besonders, wenn es um (chronische) Erkrankungen geht, haben auch Kinder ein Recht auf Wissen und Aufklärung. Denn Kinder besitzen feine Antennen – sie merken, wenn es Personen in ihrem Umfeld nicht gut geht, diese Medikamente einnehmen oder häufig zum Arzt gehen.

Wird aus der HIV-Infektion ein Geheimnis gemacht, machen sich Kinder ihre eigenen Gedanken und daraus können schnell Ängste entstehen. Häufig drehen diese sich um die Frage, warum niemand mit ihnen redet und ob sie schuld sind, dass Mama, Papa oder Onkel krank sind.1

Sind Kinder hingegen über eine Erkrankung in der Familie informiert, können sie meistens besser mit der Situation umgehen. Sehr wichtig ist für Kinder zu wissen, dass sie ihre Fragen und Sorgen jederzeit teilen können. Das gibt ihnen mehr Sicherheit im Umgang mit der Situation.1

Den meisten Menschen fällt es dennoch schwer, mit dem eigenen Kind oder einem Kind einer nahestehenden Person über die eigene Infektion zu sprechen. Um solch ein Gespräch zu führen, kann es daher sehr hilfreich sein, sich vorab mit einer Vertrauensperson auszutauschen und zu überlegen, was wie wann gesagt werden soll.2

Die Wahl des richtigen Zeitpunktes

Den richtigen Zeitpunkt für ein aufklärendes Gespräch gibt es vermutlich nie. Und oft ist es auch nicht mit nur einem Gespräch getan. Das ganze ist ein Prozess, der viel Geduld und Einfühlungsvermögen erfordert.1

Erfahrungen zeigen, dass Kinder meist ab dem zwölften Lebensjahr informiert werden, wenn ein Elternteil oder Angehörige HIV-positiv sind. Doch ein Gespräch kann eventuell auch früher möglich oder nötig sein, z.B. wenn sich das Kind ungewöhnlich verhält. Es kann z.B.:1

  • besorgt wirken und Fragen nach der Gesundheit stellen
  • rücksichtsvoller und zugewandter sein
  • trotziger und abweisender sein
  • sich zurückziehen oder sich auffällig benehmen 

„Kinder haben feine Antennen. Es ist wichtig, ihre Ängste ernst zu nehmen und ihre Fragen ehrlich zu beantworten“, rät Eva Haffner, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in Köln. „Wie sie die Informationen aufnehmen, hängt nicht nur von ihrem Alter, sondern auch ihrem Auffassungsvermögen und dem geistigen und sprachlichen Entwicklungsstand ab.“

Auch die Rahmenbedingungen sind wichtig. So rät die Diplom-Psychologin: „Das Gespräch sollte ohne Zeitdruck stattfinden. Eltern oder Angehörige sollten dann mit ihrem Kind reden, wenn sie sich selbst physisch und psychisch gut fühlen.“ 

Die Gesprächsvorbereitung ist das A&O

Vor dem Gespräch sollten Sie sich überlegen, wie das Kind reagieren könnte, damit Sie entsprechend vorbereitet sind. Jedes Kind ist hier anders. Laut der Deutschen AIDS-Hilfe können unterschiedliche Reaktionen auftreten.1 Das Kind: 

  • zeigt zunächst keine Reaktion  
  • versucht zu trösten 
  • klammert
  • verhält sich aggressiv

„Dass ein Kind geschockt, verängstigt, traurig und verwirrt reagiert, ist ganz normal. Es muss das Gespräch und die Tragweite erst einmal verarbeiten“, weiß Eva Haffner. „Es hilft zu signalisieren, dass Kinder ihre Gefühle jederzeit äußern können und auf Verständnis treffen.“ 

Seien Sie bitte auch nicht irritiert, wenn Ihr Kind erst einmal gar keine Reaktion auf die Neuigkeit zeigt und einfach wieder spielen geht. Wenn es über das Gehörte nachgedacht hat, werden die Fragen kommen, über die Sie dann gemeinsam sprechen können. 

Eine Voraussetzung für ein gutes Gespräch ist auch, dass Sie gut über die Erkrankung und den aktuellen Wissensstand informiert sind. So können Sie besser auf das Kind eingehen. Dabei ist es ratsam, sich schon vorab über mögliche Fragen Gedanken zu machen und altersentsprechende Antwortmöglichkeiten zurechtzulegen. Laut der Deutschen AIDS-Hilfe können folgende Fragen auftauchen:1

  • Kann ich mich auch anstecken?
  • Musst du bald sterben?
  • Was passiert mit mir, wenn du krank bist?
  • Sind auch andere in der Familie krank?
  • Wie bekommt man HIV?
  • Wie hast du dich angesteckt? 

Je jünger ein Kind ist, desto einfacher sollten die Erklärungen sein. Wichtig ist, zu vermitteln, dass es wirksame Medikamente gibt, die Ärzte und Ärztinnen sich auskennen und dass das Kind nicht allein sein wird, wenn ein Krankenhausaufenthalt ansteht. Solche Informationen lindern Ängste und vermitteln Sicherheit.1

Und ganz wichtig: Seien Sie immer ehrlich zu Kindern, so bleibt das Vertrauen auch in schwierigen Zeiten bestehen.2

Geheimnis bewahren?

Viele HIV-Infizierte möchten zunächst nicht, dass andere von Ihrer Erkrankung erfahren. Für Kinder ist das herausfordernd. Es gibt ihnen aber ein gutes Gefühl, wenn sie ins Vertrauen gezogen werden und ein Geheimnis mittragen dürfen. Häufig jedoch ist es gut, wenn es noch weitere Vertrauenspersonen aus dem Umfeld gibt, mit denen das Kind reden kann, z.B. eine enge Tante oder einen Onkel, die Pateneltern, einen Vertrauenslehrer oder auch Mitarbeitende der AIDS-Hilfe.1

Vor Diskriminierung schützen

Wird die Erkrankung bekannt, sollte das Kind auf mögliche Reaktionen von anderen vorbereitet werden. Besprechen Sie, wie das Kind auf Hänseleien, Ablehnung oder gar Anfeindung angemessen reagieren kann. Wer kann dem Kind zur Seite stehen, z.B. Lehrer oder Lehrerinnen oder enge Freunde?1

Bei allen Schwierigkeiten denken Sie immer daran: Ein gemeinsames Gespräch ist nicht nur wichtig für das Kind. Auch Sie selbst werden entlastet, da Sie sich nicht mehr verstellen oder Ausreden erfinden müssen.1 Wenn Sie sich gegenseitig Ihre Gedanken und Gefühle anvertrauen und auch Ängste eingestehen können, bleibt keiner in der Familie allein und Sie können schwierige Situationen besser und vor allem gemeinsam meistern. 

Hilfreiche Adressen

  • Wenn Sie sich unsicher sind oder noch mehr Hilfe benötigen können Sie sich an Beratungsstellen, die Deutsche AIDS-Hilfe oder Elterninitiativen wenden. 
  • Online können Sie sich unter www.aidshilfe-beratung.de beraten lassen. 
  • Die telefonische Beratung der Aidshilfen ist erreichbar unter 0180 33 19411 (9 Cent pro Minute aus allen deutschen Netzen)

Referenzen:

  1. Deutsche Aids-Hilfe: Wie sag ich’s meinem Kind? Tipps und Anregungen für HIV-positive Väter und Mütter https://www.aidshilfe.de/sites/default/files/documents/broschuere_eltern_reden_hauptteil_online.pdf Veröffentlicht: 2010. Abgerufen: 10.03.2023
  2. thewellproject: Together we can change the course of the epidemic https://www.thewellproject.org/hiv-information/talking-your-children-about-your-hiv-status-or-your-childrens-status Stand: 03.02.2023, Abgerufen: 10.03.2023

COMMENTS