Cannabis bei MS

Als Cannabis werden bestimmte Substanzen bezeichnet, die aus der Cannabispflanze gewonnen werden. Sie gehört zu den Hanfgewächsen (Cannabaceae), die vor allem aus tropischen Gegenden in Westafrika, der Karibik oder Südostasien stammen. Angebaut werden die Pflanzen inzwischen weltweit.1
Viele Menschen denken bei Cannabis an eine Droge. Das entspricht nur teilweise der Wahrheit. Einige Inhaltsstoffe der Cannabispflanze haben tatsächlich eine psychoaktive Wirkung und werden schon seit Jahrtausenden als Rauschmittel eingenommen. Dass Cannabis aber auch heilend wirken kann, macht sich die Medizin zu nutze.2
Cannabispflanzen enthalten neben Eiweißen, Zucker, Alkohol, Vitaminen, Farbstoffen und ätherischen Ölen über 100 sogenannte Cannabinoide. Von diesen speziellen chemischen Verbindungen haben einige eine berauschende Wirkung. Das Cannabinoid, welches den größten Anteil ausmacht, ist das Tetrahydrocannabinol, kurz THC. Eine weitere hochwirksame Substanz ist Cannabidiol, kurz CBD.1,2,3
Verarbeitet werden vor allem getrocknete Cannabisblüten und -blätter sowie die harzigen Teile der Pflanze.1,2,3
Als Cannabisarzneimittel gelten die getrockneten Cannabisblüten und Extrakte, für die hohe Qualitätsstandards vorliegen, und alle Heilmittel, die pflanzliches oder synthetisches THC enthalten.
Neben THC enthält medizinischer Cannabis auch CBD. Abhängig von der verwendeten Pflanze kommen beide Substanzen in bestimmten Mischungsverhältnissen vor. Dieses beeinflusst wesentlich die Wirkung des jeweiligen Arzneimittels.4,5
Pflanzlicher Cannabis ähnelt den körpereigenen Endocannabinoiden – das sind Moleküle, die im Gehirn an speziellen Cannabinoid-Rezeptoren binden und die Informationsverarbeitung zwischen Nervenzellen beeinflussen. Sie regulieren so Funktionen wie Schmerzwahrnehmung, Gedächtnis, Schlaf oder Appetit. Aufgrund der Ähnlichkeit kann Cannabis in dieses System einwirken und das Nervensystem sowie die Psyche beeinflussen.6
THC gilt als besonders psychoaktiv, also bewusstseinsverändernd, und versetzt Konsumenten in einen tranceartigen Zustand. THC und einige andere Cannabinoide zeichnen sich dadurch aus, dass sie:3
Schmerzen lindern
die Stimmung heben
die Muskulatur entspannen
den Appetit anregen und gleichzeitig Übelkeit und Brechreiz mindern
die Bronchien erweitern
CBD wirkt nicht bewusstseinsverändernd. Fachleute vermuten, dass es Tumorzellen in ihrem Wachstum hemmt und die Psyche positiv beeinflusst. So soll es zum Beispiel bei Schizophrenie oder Parkinson antidepressiv, antipsychotisch und beruhigend wirken.3
Wie wirken Cannabinoide bei MS?
Studien zufolge kann Cannabis als Arzneimittel in der MS-Therapie den allgemeinen Gesundheitszustand und das Wohlbefinden der Betroffenen positiv beeinflussen. Bei Patienten, die Cannabis einnahmen, beobachteten Forschende:7,8
eine Reduktion von Spastiken, Schmerzen und Entzündungen
eine Reduktion von Erschöpfung und Depressionen
eine gesteigerte Beweglichkeit
eine Steigerung des Wohlbefindens
Die Wirksamkeit von medizinischem Cannabis ist jedoch umstritten, da es bislang nur einen geringen Nachweis dafür gibt. Außerdem sind die Ergebnisse teils widersprüchlich mit gegenteiligen Beobachtungen. So kann es bei Cannabinoide offenbar auch zu Nebenwirkungen kommen, die vermehrt zu Therapieabbrüchen führen. Auch neurologische oder psychiatrische Störungen können durch Cannabis ausgelöst werden.7,8,9
Macht medizinischer Cannabis abhängig?
Ob medizinischer Cannabis süchtig oder abhängig macht, ist nicht eindeutig belegt. Studien zufolge ist Abhängigkeit eine mögliche Nebenwirkung.9
In der Therapie ist Cannabis in jeder Form anwendbar. Am häufigsten wird er in Verbindung mit Tabak geraucht. Das Haschisch-Öl lässt sich mithilfe von Verdampfungsgeräten inhalieren oder oral als Tropfen mit Tee und Lebensmitteln einnehmen. Der Wirkstoff Nabiximols wird beispielsweise als Spray in den Mund gesprüht. Wie schnell und lange Cannabis wirkt, ist abhängig von der Zusammensetzung und der Einnahmeform. Daran orientiert sich auch die tägliche Dosis.6,10
Für wen kommt medizinischer Cannabis infrage?
Sofern es keine Therapiealternative gibt, wird Cannabis als Arzneimittel vor allem schwer chronisch Erkrankten und Menschen mit Epilepsie- und Krebserkrankungen empfohlen:4,9
bei chronischen Schmerzen
bei MS-bedingten Spastiken
bei Übelkeit und Erbrechen z.B. durch eine Chemotherapie
bei ungewolltem Gewichtsverlust z.B. infolge von AIDS
Seit März 2017 haben Menschen mit MS unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf eine Cannabis-Therapie. Voraussetzungen sind, dass:4,11
keine andere Behandlungsoption besteht bzw. möglich ist
eine Besserung des Krankheitszustands zu erwarten ist
der Arzt oder die Ärztin Cannabis verschreibt
ein Cannabis-Produkt aus der Apotheke stammt und qualitätsgesichert ist
Die Medikamente verschreibt der Haus- oder Facharzt über ein Rezept für Betäubungsmittel. Bevor Sie das Rezept erhalten können, müssen Sie bei Ihrer Krankenkasse einen Antrag auf Genehmigung stellen. Die Genehmigung für eine Cannabis-Therapie sollte innerhalb von drei bis fünf Wochen erfolgen. Für Folgerezepte, auch jene, die eine Dosisanpassung oder einen Medikamentenwechsel beinhalten, ist kein erneuter Antrag notwendig. Eine Ablehnung muss von der Krankenkasse hinreichend begründet werden.4,11
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Referenzen
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Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft. Cannabis-Therapie bei MS. https://www.multiplesklerose.ch/PDF/de/Infoblaetter/01_Medizinische_und_therapeutische_Fragen/MS-Info_Cannabis-Therapie_bei_MS.pdf Stand: April 2022. Abgerufen: 29.03.2023
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