Chronische Schmerzen sind weit verbreitet, allerdings erhalten über die Hälfte der Betroffenen keine ausreichende Behandlung. Jedes Jahr im Juni findet daher der Aktionstag gegen den Schmerz statt. Das Ziel ist, das Bewusstsein für Schmerzen und ihre Auswirkungen zu schärfen und zu vermitteln, dass Schmerzen nicht einfach hingenommen werden müssen. Dieses Jahr findet der 12. Aktionstag gegen den Schmerz am 6. Juni statt. Interessierte können sich bei Schmerzspezialisten aus ganz Deutschland ausführlich über aktuelle Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten informieren.1
Auch bei MS spielen chronische Schmerzen eine Rolle. Dennoch wird dem Schmerz bei MS nicht immer genügend Aufmerksamkeit geschenkt, da andere Symptome wie Augenprobleme, Gedächtsnistörungen oder motorische Schwierigkeiten stärker im Fokus stehen.2
Was sind chronische Schmerzen?
Akute Schmerzen haben eine Schutzfunkton, da sie auf eine direkte Gefahr hinweisen, z.B. einen Dorn in der Hand oder die heiße Herdplatte. Sie machen uns auch darauf aufmerksam, dass etwas im Körper nicht stimmt, z.B. Reizungen, Wunden oder Entzündungen vorhanden sind. Schmerzen fördern auch die Heilung, da sie dafür sorgen, dass man sich nicht so viel bewegt oder die Wunde in Ruhe lässt.3,4 In der Regel klingen akute Schmerzen von selbst ab, sobald die Ursache beseitigt ist.4
Chronische Schmerzen hingegen haben keine Funktion mehr. Hier hat sich der Schmerz „verselbständigt“. Sie schützen den Körper nicht mehr, sondern können ihn ganz im Gegenteil stark belasten. Durch chronische Schmerzen kommt es unter anderem zu Schlafstörungen, Depression und anderen psychischen Leiden. Chronische Schmerzen können zu Einschränkungen im Alltag bis hin zu Arbeitsunfähigkeit führen.3,4
Oft wird in Fachkreisen eine Dauer von drei bis sechs Monaten genannt, damit man Schmerzen als chronisch bezeichnen kann. Doch nach und nach hat sich das Verständnis chronischer Schmerzen dahingehend verändert, dass alles, was über eine akute Ursache hinaus anhält als chronischer Schmerz bezeichnet wird.4
Wie entstehen chronische Schmerzen bei MS?
Chronische Schmerzen bei MS entstehen durch eine Schädigung der Nerven im zentralen Nervensystem, verursacht durch Entzündungen im Gehirn und Rückenmark. Die Myelinscheiden, welche die Nerven schützen, nehmen dadurch Schaden. Die Nerven können Signale nicht mehr effektiv übertragen.5 Dies kann dazu führen, dass das Gehirn Schmerzsignale falsch interpretiert oder ohne klare Ursache empfängt. Neben diesen direkt durch die MS bedingten Schmerzen, können auch indirekte Folgen der Erkrankung dauerhafte Beschwerden auslösen. Ein Beispiel dafür sind Blasenschmerzen aufgrund von wiederholten Harnwegsinfekten.6
Die drei Hauptursachen von chronischen Schmerzen bei MS
Bei der MS kann man drei Hauptursachen für (chronische) Schmerzen unterscheiden:
- Neuropathische Schmerzen (Nervenschmerzen): Sie werden durch die geschädigten Nervenfasern oder -zellen im Rückenmark oder Gehirn verursacht. Es kommt zu Brennen, Kribbeln oder Nadelstichartigen Empfindungen. Manchmal werden schon leichte Berührungen als schmerzhaft empfunden.2 Neuropathische Schmerzen bestehen nach einer akuten Nervenschädigung oft weiter und können chronisch werden, sie werden als MS-bedingte Schmerzen bezeichnet.7
- Schmerzen im Zusammenhang mit Spastizität: Spastiken sind eine häufige Form der Steifheit bei Menschen mit MS, die durch eine Schädigung der motorischen Nervenfasern verursacht wird. Es kann zu Muskelkrämpfen, Krämpfen und einem allgemeinen Schmerz- und Spannungsgefühl in den betroffenen Körperteilen kommen. Diese Krämpfe können für Menschen mit MS sehr schmerzhaft sein und den Alltag stark einschränkend.2 Durch die übermäßige Muskelanspannung kann es zu Verkrampfungen der Muskulatur kommen und in der Folge zu dauerhaften Rücken- oder Muskelschmerzen.7
- Nozizeptive Schmerzen (Gewebeschmerzen): Diese Schmerzen werden durch spezielle Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) verursacht, die unter anderem in Muskeln ,Haut, Gelenken oder inneren Organen liegen. Sie reagierenbeispielsweise auf Fehlhaltungen, Schwäche oder nicht richtig angepasste Hilfsmittel. Denn häufig werden zum Ausgleich andere Muskel auf eine Weise benutzen, die dann Schmerzen verursachen. Oft sind das Rücken- oder Gelenkschmerzen. Es handelt sich hierbei um nicht (direkt) MS-bedingte Schmerzen.2,7
Nicht zuletzt haben viele Menschen mit MS Nebenwirkungen durch die medikamentöse Therapie, was wiederum zu Schmerzen führen kann.7
Wichtig: Schmerzen immer ansprechen
Um chronische Schmerzen effektiv behandeln zu können, ist es für den Therapeuten oder die Therapeutin sehr wichtig, so viele Informationen wie möglich zu erhalten. Wichtige Informationen sind unter anderem wie, wo, wann und wie lange Sie die Schmerzen genau empfunden haben. Es kann hilfreich sein, sich zu notieren, wodurch sich die Symptome verbessert oder verschlechtert haben.
Wie werden chronische Schmerzen behandelt?
Die Behandlung von chronischen Schmerzen bei MS hängt von der Art des Schmerzes ab. So können z.B. Antikonvulsiva oder Antidepressiva (in niedriger Dosis) zur Behandlung von neuropathischem Schmerz eingesetzt werden. Auch Botox-Injektionen oder spezielle Medikamenten-Pumpen können zum Einsatz kommen. Falls herkömmliche Therapiemöglichkeiten ohne Erfolg bleiben, können nach individueller Beurteilung Cannabinoide eingesetzt werden.2,7
Neben der medikamentösen Therapie bestehen weitere Behandlungsmöglichkeiten wie:7
- Verhaltens- und Psychotherapie
- Physiotherapie
- Akupunktur, Akupressur
- Massagen
- Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS)
Was kann ich selbst tun?
Bei chronischen Schmerzen können Entspannungstechniken helfen, die Schmerzen zu verringern. Lassen Sie sich von ausgebildeten Trainerinnen und Trainern autogenes Training oder progressive Muskelentspannung zeigen und versuchen Sie diese regelmäßig in Ihren Alltag einzubauen.7
Auch sanfte Bewegungsübungen wie Yoga oder Tai-Chi können helfen. Auch hier ist es wichtig, sich diese Übungen vor allem am Anfang unter der Anleitung von ausgebildeten Trainerinnen und Trainern durchzuführen.7
- Bewegung ist wichtig
Gerade bei Schmerzen, trauen sich viele nicht, sich zu bewegen aus Angst vor weiteren Schmerzen. Doch Bewegung ist bei chronischen Schmerzen ein wichtiger Bestandteil der Therapie. Durch Bewegung werden körpereigene Stoffe freigesetzt, die eine schmerzlindernde Wirkung haben. Außerdem regt Bewegung die Durchblutung und den Stoffwechsel an und sorgt dafür, dass Knochen und Knorpel ausreichend mit Nährstoffen versorgt werden.3 Versuchen Sie im Rahmen Ihrer MS so weit wie möglich aktiv zu bleiben und lassen Sie sich von Ihrem Physiotherapeutenteam spezielle Übungen zu Kraft, Ausdauer und Gleichgewicht zeigen.
- Die Psyche spielt mit
Auch die Psyche spielt eine wichtige Rolle bei chronischen Erkrankungen und Schmerzen. Ängste und Depressionen sind keine Seltenheit. Eine Psychotherapie bei ausgebildeten Psychotherapeutinnen oder -therapeuten kann Ihnen helfen, einen neuen Umgang mit der MS zu finden. Speziell geschulte Therapeutinnen und Therapeuten können Strategien vermitteln, die helfen, besser mit chronischen Schmerzen umzugehen.7
Referenzen:
- Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.: 12. Aktionstag gegen den Schmerz. https://www.schmerzgesellschaft.de/topnavi/bewusstsein-schaffen/aktionstag Stand: Abgerufen: 11.04.2023
- Everyday Health. Treating Chronic Pain in Multiple Sclerosis. https://www.everydayhealth.com/multiple-sclerosis/treatment/treating-chronic-pain-multiple-sclerosis/ Stand: 01.03.2022. Abgerufen: 28.04.2023
- Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): Chronische Schmerzen verstehen. https://www.gesundheitsinformation.de/chronische-schmerzen-verstehen.html Stand: 20.04.2022. Abgerufen: 18.04.2023
- Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. Chronische Schmerzen. https://www.schmerzgesellschaft.de/patienteninformationen/herausforderung-schmerz/chronische-schmerzen Stand: 2019. Abgerufen: 28.04.2023
- Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband e.V. (dmsg): Was ist MS? https://www.dmsg.de/multiple-sklerose/was-ist-ms Stand: 2023. Abgerufen: 11.04.2023
- Multiple Sklerose Gesellschaft Wien: Schmerzen. https://www.msges.at/multiple-sklerose/symptome/schmerzen-bei-multipler-sklerose/ Stand: 2023. Abgerufen: 11.04.2023
- Initiative Selbsthilfe Multiple Sklerose Kranker e. V. Schmerzen bei MS. Blickpunkt-Ausgabe: 01/2021. https://www.multiple-sklerose-e-v.de/selbsthilfe/betroffene/schmerzen-bei-ms Stand: Januar 2021. Abgerufen: 28.04.2023
- Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. Kognitive Verhaltenstherapie. https://www.schmerzgesellschaft.de/topnavi/patienteninformationen/psychologische-schmerzbehandlung/kognitive-verhaltenstherapie Stand: 2019. Abgerufen: 28.04.2023
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