Insulin und Insulintherapie

Insulin ist ein Hormon, das in den Betazellen – speziellen Zellen in den Langerhans’schen Inseln der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) – gebildet und ins Blut abgegeben wird. Insulin fördert die Aufnahme von Glucose (Traubenzucker) aus dem Blut in die Körperzellen und senkt damit den Blutzuckerspiegel. Insulin wirkt also wie ein Schlüssel, der es Leber- und Muskelzellen ermöglicht, Glucose aus dem Blut aufzunehmen und für die Energieproduktion zu verwenden.
Bildet der Körper kein oder zu wenig Insulin (Diabetes-Typ-1) oder reagieren die Körperzellen nicht ausreichend auf Insulin (Diabetes-Typ-2), kann der Blutzuckerspiegel bis auf gesundheitsschädliche Niveaus ansteigen (Hyperglykämie). Bleibt diese Hyperglykämie längere Zeit bestehen, kann das zu Diabetes-Folgeschäden führen.
Damit Folgeschäden minimiert werden, können nicht-medikamentöse (Bewegung, Ernährung) und medikamentöse Maßnahmen ergriffen werden. Eine Möglichkeit der Diabetes-Therapie kann die Anwendung von Insulin sein.
Um Diabetes zu behandeln, sind in Deutschland zwei Arten von Insulinen in Gebrauch: Humaninsulin und Insulinanaloga. Beide Insulinarten werden gentechnisch mit Hilfe von Bakterien und Hefen hergestellt.
Insulin wurde früher aus den Bauchspeicheldrüsen von Rindern und Schweinen gewonnen. Seit den 80er Jahren wird jedoch das sogenannte Humaninsulin verwendet. Dabei handelt es sich um ein synthetisch hergestelltes Produkt, also nicht direkt um das menschliche Hormon. Bei der Herstellung wird das menschliche Gen für Insulin in die Erbsubstanz von Bakterien oder Hefepilzen eingebaut, die daraufhin „Human“-Insulin produzieren. Das so entstandene Humaninsulin ist genauso aufgebaut wie das von der menschlichen Bauchspeicheldrüse produzierte Insulin.
Wie Humaninsulin werden auch Insulinanaloga mit Hilfe von Bakterien oder Hefepilzen synthetisch hergestellt. Im Vergleich zum „natürlichen“ Humaninsulin wird hier die Struktur des Moleküls (Aufeinanderfolge der Aminosäuren des Proteins) etwas verändert, was Wirkungseintritt und Wirkdauer beeinflusst. Dadurch können sie entweder schneller wirksam werden oder besonders lange wirken. Ein weiterer Vorteil der Insulinanaloga ist die gleichmäßige Steuerung des Blutzuckerspiegels. So können hohe Blutzuckeranstiege nach Mahlzeiten sowie Unterzuckerungen durch zu lange Insulinwirkung zwischen den Mahlzeiten vermieden werden.
Das breite Spektrum an langsam- und schnellwirksamen Präparaten ermöglicht ebenfalls eine individuelle Anpassung der Diabetes-Therapie an die Lebensweise und den Alltag. Im Einzelnen lassen sich Insuline nach ihrem Wirkprofil in folgende Gruppen einteilen:
Kurzwirksame Insuline
Verzögerungsinsuline
Mischinsuline
Die Wirkung kurzwirksamer Humaninsuline tritt rund 30 Minuten nach Verabreichung ein und hält dosisabhängig rund 8 Stunden an. Die maximale Wirkung wird nach etwa 2 h erreicht. Deshalb sind mitunter Zwischenmahlzeiten nötig, um eine Unterzuckerung zu vermeiden.
Das hierfür genutzte Insulin wird Normalinsulin genannt.
Der Wirkverlauf von kurzwirkenden Insulinanaloga kommt dem körpereigenen Insulin näher. Die Wirkung tritt bereits nach wenigen Minuten ein (rund 5-15min) und endet nach etwa 4-5 Stunden wieder. Dadurch entfällt der Bedarf von Zwischenmahlzeiten.
Insulinanaloga mit kurzer Wirkung sind unter anderem: Insulin lispro, Insulin aspart, Insulin glulisin.
Normalinsulin und kurz wirkende Insulinanaloga werden auch als Bolusinsuline bezeichnet. Sie werden zu den Mahlzeiten oder zur Blutzuckerkorrektur injiziert. Dadurch bieten sie hohe Flexibilität bezüglich individueller Essgewohnheiten. Wichtig ist, dass Diabetiker und Diabetikerinnen bei dieser Art von Therapie gut durch ihr Behandlungsteam geschult wurden und ihren Blutzuckerspiegel regelmäßig kontrollieren.
In dieser Gruppe sind vor allem Intermediärinsulin und langwirksame Insulinanaloga gebräuchlich.
Bei Intermediärinsulin (Humaninsulin) wird der Wirkungseintritt und die Wirkungsdauer durch den Zusatz bestimmter Substanzen (NPH = Neutrales Protamin Hagedorn) verzögert. Somit kann die Wirkung phasenweise verlaufen. Dies beginnt etwa 2 h nach der Injektion, erreicht nach 4–6 h ein Maximum und fällt danach wieder ab. Je nach Dosis beträgt die gesamte Wirkungsdauer 8-14 h.
Gebräuchliche Intermediärinsuline sind sogenannte NPH-Insuline. Vor der Injektion muss auf das sorgfältige Vermischen der Suspension geachtet werden, da es sonst zu erheblichen Blutzuckerschwankungen kommen kann.
Die Wirkung von lang wirkenden Insulinanaloga tritt rund 1-4 Stunden nach Injektion ein und hält bis zu 24 Stunden oder länger an. Daher müssen sie normalerweise nur einmal am Tag gespritzt werden, die Tageszeit der Gabe ist flexibel. Im Vergleich zu den zuvor genannten Intermediärinsulinen wirken sie über den gesamten Zeitraum gleichmäßiger und haben im Idealfall auch keine Wirkungsspitzen. Dadurch sinkt die Gefahr von Unterzuckerungen.
Heute werden häufig Insulinanaloga mit dem Namen Insulin detemir, Insulin glargin oder Insulin degludec eingesetzt. Insulin icodec hingegen ist ein neues Analogon mit einer extrem langen Wirkung. Es muss daher nur noch 1mal wöchentlich gespritzt werden, mit gleichem Wirkerfolg. Hier ist allerding noch die Zustimmung der Europäischen Kommission ausständig damit das Präparat in Deutschland verschrieben werden kann.
Die Gruppe der Verzögerungsinsuline wird auch als Basalinsuline bezeichnet. Sie werden unabhängig von Mahlzeiten gespritzt und haben einen niedrigeren Schulungsbedarf im Vergleich zu kurzwirksamen Insulinen. Auch kommen Unterzuckerungen seltener vor. Basalinsuline können gemeinsam mit oralen Antidiabetika (zum Beispiel Metformin) als Diabetes-Kombinationstherapie verordnet werden.
Hierbei handelt es sich um fixe Mischungen eines kurz (Humaninsulin oder Insulinanaloga) und lang wirkenden Insulin (speziell NPH-Insulin). Es gibt sie in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen, wobei der Anteil an kurz wirkendem Insulin etwa zwischen 25 und 50 % liegt. Das bedeutet bei der Bezeichnung von zum Beispiel 30/70, dass 30 % schnell und 70 % lang wirkendes Insulin in Mischung vorliegen.
Angewendet werden Mischinsuline vor allem bei Diabetiker und Diabetikerinnen im Rahmen der konventionellen Insulintherapie. Dabei wird Insulin meist 2-3mal pro Tag angewendet. Für diese Art der Therapie ist zunächst eine Schulung durch das Behandlungsteam notwendig, bietet allerdings eine einfache Handhabung. Besonders geeignet sind Mischinsuline für Typ-2-Diabetiker mit regelmäßigem Tagesablauf und gleichbleibenden Ernährungsgewohnheiten. Sollten diese sich ändern oder kommt es zu akuten Erkrankungen (Fieber, Grippe), sollte die Therapie möglicherweise mit dem Behandlungsteam gemeinsam an die neue Situation angepasst werden.
Artikel veröffentlicht im Juli 2017, vollständig aktualisiert im Mai 2024.
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Referenzen
https://www.leitlinien.de/themen/diabetes/version-3
https://flexikon.doccheck.com/de/Insulin
https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/awiqli
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/zulassungsempfehlung-fuer-insulin-icodec-146388/
https://flexikon.doccheck.com/de/Insulin_icodec
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