Impfungen helfen, schweren Erkrankungen vorzubeugen. Mit Hilfe von Impfstoffen werden dem Immunsystem Teile eines bestimmten Krankheitserregers präsentiert, woraufhin der Körper entsprechende Antikörper bildet. Kommt es nun tatsächlich zu einer Infektion mit dem Krankheitserreger, kann das Immunsystem schnell eingreifen, da es den Bau der entsprechenden Antikörper bereits durch die Impfung erlernt hat. Die entsprechenden Antiköper stehen somit schnell zur Verfügung und können den Krankheitserreger unschädlich machen.
Gerade Menschen mit geschwächtem Immunsystem, beispielsweise aufgrund einer HIV-Infektion, haben ein erhöhtes Risiko, dass Infektionen schwer verlaufen. Doch ist eine Impfung für die Betroffenen sicher und wirksam?
Verschiedene Arten von Impfstoffen
Um die Frage nach der Sicherheit von Impfungen für HIV-infizierte Menschen beantworten zu können, ist es wichtig, zwischen den verschiedenen Impfstoffen zu unterscheiden. Denn es gibt verschiedene Arten von Impfstoffen.
1) Am häufigsten werden Totimpfstoffe oder Lebendimpfstoffe eingesetzt. Bei Totimpfstoffen handelt es sich um abgetötete bzw. inaktivierte Krankheitserreger oder deren Bestandteile. Sie können somit die Krankheit nicht mehr auslösen, regen jedoch das Immunsystem an, Antikörper gegen die Krankheitserreger zu bilden.
2) Lebendimpfstoffe bestehen hingegen aus geringen Mengen abgeschwächter Krankheitserreger, die noch vermehrungsfähig sind. In diesem Fall wird der Ausbruch der Erkrankung durch die Abschwächung des Krankheitserregers verhindert. Nur in seltenen Fällen kommt es dennoch zu einer leichten Erkrankung.
3) Eine neue Klasse von Impfstoffen bilden die genebasierte Impfstoffe. Zu diesen zählen die mRNA-, die DNA- und die Vektorimpfstoffe. In alle drei Fällen werden genetische Baupläne für Bestandteile der Krankheitserreger in den Körper eingebracht – entweder direkt (mRNA- und DNA-Impfstoff) oder mit Hilfe harmloser Viren (Vektorimpfstoff). Anhand des genetischen Bauplans stellen die Körperzellen bestimmte Bestandteile des Krankheitserregers selbst her, gegen die im weiteren Schritt Antikörper gebildet werden.
Sind Impfungen bei HIV-Infektionen sicher?
Ob Impfungen für Menschen mit HIV-Infektionen sicher sind, hängt von der Art des Impfstoffes und dem Immunstatus der Personen ab. Totimpfstoffe können generell in allen Stadien der HIV-Infektion sicher angewandt werden – selbst dann, wenn eine schwere Immunschwäche vorliegt.1, 2 Hier sollten die Impfungen, wie von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen, erfolgen. Anders sieht es bei Lebendimpfstoffen aus. Da diese vermehrungsfähige Krankheitserreger beinhalten, sollten sie nicht bei einer schweren Immunschwäche eingesetzt werden. Von einer schweren Immunschwäche ist die Rede, wenn die absolute CD4+-T-Zellzahl bei 750/µl oder niedriger (Kinder unter 12 Monaten), bei 500/µl oder niedriger (Kinder zwischen 1 und 5 Jahren) bzw. bei unter 200/µl (Personen ab 6 Jahren) liegt.1,2 In diesem Fall sollte die Impfung in Absprache mit dem behandelnden Arzt solange verschoben werden, bis sich der Immunstatus durch eine antiretrovirale Therapie verbessert hat – also sich die CD4+-T-Zellzahl entsprechend erhöht hat.1,2
Impfungen müssen eventuell aufgefrischt werden
Bei HIV-infizierten Menschen sind die Impfantworten oft schwächer, vor allem wenn eine schwere Immunschwäche vorliegt. Das bedeutet, dass weniger Antikörper gebildet werden oder diese weniger lange überdauern. Daher kann es sinnvoll sein, die Impfantwort mittels quantitativer Antikörperbestimmung regelmäßig zu kontrollieren und gegebenenfalls die Impfung zu wiederholen (Boosterimpfung).
Corona-Impfung bei HIV
Aktuell stellt sich die Frage, ob sich Menschen mit HIV gegen das neue Coronavirus SARS-CoV-2 impfen lassen können oder sollten. Hier lautete die Antwort ganz klar: ja. Anders als bei den bisher eingesetzten Impfstoffen handelt es sich bei den beiden ersten zugelassenen Corona-Impfstoffen um mRNA-Impfstoffe. Hier wird eine mRNA (Messenger- der Boten-RNA) in den Körper eingebracht, die einen Bauplan für bestimmte Virusbestandteile enthält. Ein weiterer zugelassener Corona-Impfstoff zählt zu der Klasse der Vektorimpfstoffe. Auch bei dem Vektorimpfstoff wird die genetische Information für einen bestimmten Virusbestandteil eingebracht, hier jedoch nicht direkt, sondern mit Hilfe eines für den Menschen harmlosen Virus, das sich nicht vermehren kann. Weder bei der mRNA-Impfung noch bei dem Vektorimpfstoff handelt es sich somit um einen Lebendimpfstoff im eigentlichen Sinne. Die Impfung wird somit auch bei einem geschwächten Immunsystem als sicher eingestuft.3 Eine HIV-Infektion steht einer Impfung gegen COVID-19 somit nicht im Wege. Laut Impfverordnung zählen HIV-infizierte Personen bei der Priorisierung zu der Gruppe mit der dritthöchsten Priorität, wenn sie nicht aus anderen Gründen bereits in Gruppe 1 oder 2 fallen, hier empfiehlt sich eine enge Absprache mit dem behandelnden Schwerpunktarzt.4
Quellen:
- Deutsche AIDS-Gesellschaft e. V. Deutsch-Österreichische Leitlinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-Infektion bei Kindern und Jugendlichen. AWMF-Register-Nr.: 048-011. Klassifikation: S2k. Juni 2019.
- Ehl, , et al., Impfen bei Immundefizienz : Anwendungshinweise zu den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen.(II) Impfen bei 1. Primären Immundefekterkrankungen und 2. HIV-Infektion. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2018 Aug;61(8):1034-1051. doi: 10.1007/s00103-018-2761-8.
- Vygen-Bonnet S, Koch J, Bogdan C, Harder T, Heininger U, Kling K, Littmann M, Meerpohl J, Meyer H, Mertens T, Schmid-Küpke N, Scholz S, Terhardt M, Treskova-Schwarzbach M, Überla K, van der Sande M, Wichmann O, Wicker S, Wiedermann U, Wild V, von Kries R: Beschluss der STIKO zur 2. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung und die dazugehörige wissenschaftliche Begründung. Epid Bull 2021;2:64-132. doi:10.25646/7820.3
- Coronavirus-Impfverordnung vom 18. Dezember 2020 (BAnz AT 21.12.2020 V3)
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