Multiple Sklerose: Therapie & Behandlung

Multiple Sklerose: Therapie & Behandlung

Die Multiple-Sklerose Therapie hat folgende Zielsetzung:

  • die akute Entzündungs-Reaktion zu hemmen
  • das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten
  • die beschwerdefreie bzw. beschwerdearme Zeit zu verlängern
  • die MS-Symptome zu lindern und möglichen Komplikationen vorzubeugen

Die beiden letzten Therapiebereiche werden normalerweise kombiniert und müssen individuell auf den Patienten, seine jeweilige Lebens- und Krankheitssituation angepasst werden.

Behandlung des akuten MS-Schubes

Glucocorticoide

Glucocorticoide, wie Methylprednisolon, werden zur Behandlung eines akuten MS-Schubes verschrieben, um die Entzündungsreaktion an der Nervenfaser zu hemmen. Nebenwirkungen können sein:

  • Schlaflosigkeit
  • erhöhter Blutdruck
  • Stimmungsschwankungen
  • Flüssigkeitseinlagerungen

Plasma-Austausch (Plasmapherese)

Ein Teil der Blutflüssigkeit wird von den Blutzellen getrennt (Blutplasma). Die Blutzellen werden dann mit einer Proteinlösung (Albumin) gemischt und wieder dem Körper zugeführt. Der Plasma-Austausch kann bei neu aufgetretenen, schwerwiegenden Symptomen durchgeführt werden, die nicht auf Glucocorticoide ansprechen. Die Plasmapherese sollte in spezialisierten Zentren durchgeführt werden, da Störungen des Herz-Kreislauf-Systems und Infektionen auftreten können.

Verzögern des Fortschreitens der MS-Erkrankung

Für die schubförmig remittierende Multiple Sklerose gibt es einige Therapien, die den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen können. Ein Großteil der Immunantwort, die mit der MS verbunden ist, findet in den frühen Stadien der Erkrankung statt. Setzt man diese Medikamente so früh wie möglich ein, kann das die Schübe verzögern und die Bildung neuer Schädigungen (Läsionen) verlangsamen.

Einige dieser Therapien haben deutliche Nebenwirkungen, sie müssen also mit Bedacht gewählt werden. Der Arzt muss dazu Faktoren, wie Dauer und Schwere der Erkrankung, Effektivität früherer Therapiemaßnahmen oder Gesundheitsstatus, beachten.
Folgende Therapieoptionen kommen bei schubförmig remittierender MS in Betracht:

Mittel der ersten Wahl

Beta-Interferone (Avonex, Betaferon, Extavia, Rebif, Plegridy)

Beta-Interferone sind die am häufigsten verschriebenen Arzneimittel gegen MS. Sie werden unter die Haut oder in den Muskel injiziert und werden zur verlaufsmodifizierenden Therapie der MS eingesetzt, um das Auftreten von Schüben in ihrer Häufigkeit und Schwere zu reduzieren. Nebenwirkungen, insbesondere zu Therapiebeginn können sein: grippeähnliche Symptome und entzündliche Reaktionen an der Einstichstelle.

Glatirameracetat (Copaxone, Clift)

Diese immunmodulatorische Substanz wird täglich unter die Haut injiziert. Die 40mg Dosierung wird dreimal wöchentlich injiziert. Auch hier können als Nebenwirkung entzündliche Reaktionen an der Einstichstelle auftreten.

Dimethylfumarat (Tecfidera)

Dieses MS Arzneimittel wird in der 20mg Dosierung zweimal täglich oral (durch den Mund) eingenommen.  Es hat entzündungshemmende und immunmodulatorische Eigenschaften, vermindert die Schubrate und verzögert eventuell auch das Fortschreiten der Erkrankung. Nebenwirkungen können sein: Durchfall, Brechreiz und eine vorübergehende Abnahme weißer Blutkörperchen.

Fingolimod (Gilenya)

Dieses einmal täglich oral gegebene Medikament wird bei den (hoch-) aktiven Verlaufsformen der MS eingesetzt und hemmt das Auswandern der Immunzellen aus den Lymphknoten. Es reduziert die Häufigkeit von Schüben. Nebenwirkungen können sein: Kopfschmerzen, Bluthochdruck und verschwommenes Sehen.

Mittel der zweiten Wahl

Azathioprin (Imurek)

Dieses MS Medikament ist ein Immunsuppressivum. Es gilt als Mittel der zweiten Wahl, wenn die Mittel der ersten Wahl nicht eingesetzt werden können oder unwirksam sind.

Immunglobuline (Gamunex)

Auch intravenös injizierte Immunglobuline gelten als Mittel der zweiten Wahl, wenn Beta-Interferone oder Glatirameracetat nicht eingesetzt werden können.

Teriflunomid (Aubagio)

Auch dieses einmal täglich oral gegebene Arzneimittel reduziert die Häufigkeit von Schüben und das Fortschreiten der MS. Das MS Medikament kann als Nebenwirkungen haben: Leberschäden, Haarausfall und Magen-Darm-Beschwerden. Es darf nicht in der Schwangerschaft eingenommen werden oder wenn eine Schwangerschaft nicht auszuschließen ist.

Natalizumab (Tysabri)

Dieses MS Arzneimittel soll das Einwandern potentiell gefährlicher Immunzellen vom Blut ins Zentralnervensystem verhindern. Es wird vor allem bei einigen schweren Formen der MS angewandt. Als Nebenwirkung kann das Risiko für eine virale Infektion des Gehirns erhöht werden. Durch die Bildung von Antikörpern gegen Natalizumab kann es zu einem Wirkverlust kommen.

Mitoxantron (Ralenova)

Diese immunsuppressive MS Arznei verwendet man nur sehr begrenzt und nur zur Behandlung bei schwerer, fortgeschrittener MS. Es kann das Herz schädigen und wird mit der Entstehung von Blutkrebs in Verbindung gebracht.
Es wurden bisher noch keine Therapien gefunden, die das Fortschreiten der primär progredienten MS verzögern.

Behandlung der Symptome bei MS

Muskelrelaxantien

Muskelsteifheit oder Muskelverkrampfung (Spasmen), unter denen MS Patienten häufig leiden, können mit Muskelrelaxantien behandelt werden. Diese Arzneimittel (z.B. Baclofen) entspannen die Skelettmuskulatur und setzen den Muskeltonus herab.

Medikamente gegen Müdigkeit (Fatigue)

Fatigue bedeutet Antriebs- und Energiemangel sowie ein dauerhaft vorhandenes Müdigkeitsgefühl, das sich sowohl auf die geistige als auch auf die körperliche Leistungsfähigkeit auswirken kann. Unter Fatigue leiden etwa 2/3 aller MS-Patienten. Bisher gibt es keine Medikamente, die speziell für die MS bedingte Fatigue zugelassen sind. Zur medikamentösen Behandlung des Fatigue-Symptoms werden neben antriebssteigernden Antidepressiva wie Noradrenalin- oder Serotonin-Wiederaufnahmehemmern einige andere Therapieversuche unternommen.
So wird beschrieben, dass eine Therapie mit dem antiviralen Wirkstoff Amantadin zumindest teilweise erfolgreich sein kann. Auch Aminopyridine (4-Aminopyridin), die auf ärztliche Einzelverordnung von einem Apotheker angefertigt werden können, werden in Deutschland in begrenztem Maß zur Behandlung der Fatigue eingesetzt. Der davon abgewandelte Arzneistoff Fampridin konnte in Studien die Gehgeschwindigkeit von MS-Patienten verbessern. Fampridin (Fampyra) ist seit Herbst 2011 bedingt zugelassen für erwachsene MS-Patienten, die ohne Hilfe nicht weiter als 500 Meter gehen können.

Eine neuere Studie deutet darauf hin, dass Alfacalcidol, eine dem Vitamin D ähnliche Substanz, gegen Fatigue wirksam sein könnte.

Andere Behandlungsformen

Zur Behandlung der MS Symptome stehen neben medikamentösen auch viele nicht-medikamentöse Therapien zur Verfügung: Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Psychotherapie, neuropsychologische Therapie usw.

Arzneimittel für Multiple-Sklerose-Patienten

Zinbryta

Im August 2016 wurde mit Zinbryta (Wirkstoff Daclizumab) ein Arzneimittel zur Behandlung von Erwachsenen mit schubförmiger Multipler Sklerose (MS) eingeführt. Der Wirkstoff Daclizumab ist ein monoklonaler Antikörper, der an T-Zellen bindet. Die T-Zellen sind ein Teil des Immunsystems, die durch ein körpereigenes Signalprotein, das Interleukin-6, aktiviert werden. Bestimmte so aktivierte T-Zellen werden mit der Ausbildung der Multiple Sklerose in Verbindung gebracht, weil sie die Myelin-Scheiden der Nervenzellen angreifen. Daclizumab soll das verhindern, indem es an die T-Zellen bindet und so die Wirkung des Interleukin blockiert. Zinbryta wird einmal monatlich in einer Dosis von 150 mg unter die Haut injiziert. Es hat einige häufige Nebenwirkungen, wie Hautreaktionen, Leberschädigung, Depression, Entzündungen und Infektionen der oberen Atemwege, geschwollene Drüsen u.a.

Fampyra

Das Arzneimittel Fampyra (Wirkstoff Fampridin) ist bei erwachsenen MS-Patienten mit einer Gehbehinderung höheren Grades zur Verbesserung der Gehfähigkeit zugelassen. Der Wirkstoff Fampridin ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Kaliumkanal-Blocker. Kaliumkanäle sitzen unter anderem in der Zellmembran von Nervenzellen. Im geöffneten Zustand lassen sie Kaliumionen aus der Zelle nach außen strömen, was die Erregung der Nervenzelle beendet. Werden diese Kanäle durch Fampridin blockiert, verlängert das den Erregungszustand der Nervenzelle. Vermutlich werden dadurch die Nervensignale verstärkt und die Muskeln besser stimuliert: das Gehen wird erleichtert.

Fampyra wird in Form von Retardtabletten in einer Dosis von 2x 10mg täglich verabreicht. (Retardtabletten sind Tabletten, die ihren Wirkstoff verzögert freigegeben.) Häufige Nebenwirkungen sind: Harnwegsinfekte und Parästhesien. Letzteres sind unangenehme, manchmal schmerzhafte Körperempfindung mit Kribbeln, Taubheit, Einschlafen der Glieder, Kälte- und Wärme-Wahrnehmungsstörungen ohne externe Ursache. Außerdem Schwindel, Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen, Zittern, Schlaflosigkeit, Angst, Übelkeit, Erbrechen, Rückenschmerzen u.a. Fampridin sollte von einem Arzt verschrieben und überwacht werden, der Erfahrung in der MS-Behandlung hat.

 

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