Neuraltherapie – Funktionsstörungen lokal oder ganzheitlich lösen

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Zusammenfassung
Die Neuraltherapie ist ein spezielles Behandlungsverfahren aus der komplementären Medizin. Sie dient dazu, Funktionsstörungen im Körper aufzuheben und Schmerzen zu behandeln, die durch diese oder eine Erkrankung verursacht werden. Durch die gezielte Injektion eines lokalen Betäubungsmittels soll das vegetative Nervensystem so stimuliert werden, dass es seine Regulationsfähigkeit zurückerlangt. Das wiederum soll sich positiv auf die Selbstheilungskräfte des Körpers auswirken und Beschwerden lindern. Die Anwendungsgebiete sind vielfältig, allerdings ist die Wirksamkeit der Neuraltherapie noch nicht in allen Bereichen wissenschaftlich belegt.
Was ist eine Neuraltherapie?
Die Neuraltherapie ist eine Behandlungsform basierend auf einem speziellen Injektionsverfahren, das im 20. Jahrhundert durch die Brüder Ferdinand und Walter Huneke beschrieben und nach ihnen benannt wurde. Es handelt sich hierbei um eine Regulationstherapie, die dazu dient, Funktionsstörungen von Organen zu beheben. Dabei kann jedes Organ oder Gewebe im Körper betroffen sein. In der Neuraltherapie werden diese Bereiche als Störfelder bezeichnet, von denen dauerhaft Reize ausgehen, die weitreichend im Körper spürbar sind. So ist das zum Beispiel bei chronischen Erkrankungen häufig der Fall.
Fachleute gehen zudem davon aus, dass die verschiedenen Organe in bestimmten Arealen der Körperoberfläche, sogenannten Segmenten oder Dermatomen, repräsentiert sind. Das bedeutet, dass zum Beispiel ein erkranktes Organ wie die Gallenblase Schmerzen in der Schulter verursacht. Diese Beschwerden sind dann lokal begrenzt. Bei beiden Formen übermitteln die Nerven, die in dem jeweiligen Störfeld oder Segment liegen, die Reize an das Gehirn. Bei starken Reizzuständen ist diese Übertragung gesteigert und die Regulation gestört.
Durch die Therapie soll vor allem das vegetative (autonome) Nervensystem, das die Funktionalität der Organe übergeordnet reguliert, so stimuliert werden, dass in der Folge die Beschwerden zurückgehen. Die Neuraltherapie aktiviert gezielt und unterstützt auf diese Weise die Selbstheilungskräfte des Körpers.
Es handelt sich um ein Behandlungsverfahren, das der Komplementärmedizin zugeordnet wird, da es begleitend vor allem in der Schmerztherapie eingesetzt wird und seine Wirksamkeit nicht für alle Anwendungsgebiete wissenschaftlich belegt ist.
Wann kann eine Neuraltherapie helfen?

Die Anwendungsmöglichkeiten der Neuraltherapie sind zahlreich. Am häufigsten kommt sie bei Erkrankungen zum Einsatz, die Schmerzen oder andere Reizzustände hervorrufen. Dazu gehören zum Beispiel:
- Kopfschmerzen, Migräne
- Erkrankungen des Bewegungsapparates (z.B. rheumatisch-entzündliche Erkrankungen wie Morbus Bechterew oder Rheumatoide Arthritis, Gicht, degenerative Erkrankungen wie Arthrose oder Osteoporose)
- Verletzungen, Knochenbrüche (Frakturen)
- Entzündungen
- Infektionserkrankungen (z.B. der Atem- oder Harnwege)
- Allergien (z.B. Heuschnupfen)
- Autoimmunerkrankungen (z.B. Asthma bronchiale)
- Erkrankungen der Nerven/des Nervensystems (z.B. Neuralgien, Neuropathien)
- Erkrankungen der Organe (z.B. Magen-Darm-Beschwerden, Lebererkrankungen)
- Gefäßerkrankungen (z.B. Krampfadern [Varizen], chronisch venöse Insuffizienz [CVI])
- Hormonelle Störungen
- Psychische Erkrankungen (z.B. Angststörungen, Depressionen)

Neuraltherapie auch in der Diagnostik einsetzbar
Bei zahlreichen Erkrankungen ist es so, dass Beschwerden erst nach längerer Zeit auftreten oder so unspezifisch sind, dass ihre Ursache schwierig festzustellen ist. Die Neuraltherapie kann durch gezielte Stimulation dabei helfen, die Bereiche zu identifizieren, von denen die Beschwerden ausgehen.
Wie wird eine Neuraltherapie durchgeführt?
Die Behandlung wird durch einen Arzt oder qualifizierten Neuraltherapeuten wie zum Beispiel Heilpraktiker in einer Praxis durchgeführt. Abhängig davon, wo die Beschwerden auftreten und welche Organe oder Gewebe betroffen sind, unterscheiden Fachleute zwischen zwei Therapieformen:
- Segmenttherapie: Die Behandlung erfolgt in einem bestimmten Segment und wirkt lokal.
- Störfeldtherapie: Die Behandlung erfolgt in einem Störfeld oder an mehreren Körperstellen und wirkt weitreichend.
Mithilfe einer Spritze wird ein örtliches Betäubungsmittel (Lokal-Anästhetikum wie z.B. Procain oder Lidocain) an bestimmten Stellen des Körpers in die oberen Hautschichten oder unter die Haut injiziert, diese Technik nennt man Quaddelung. Von dort erreicht der Wirkstoff zum Beispiel Nerven, Muskeln, Sehnen und Bänder. Manchmal erfolgt die Injektion tiefer im Gewebe direkt an Nerven, Nervenzellbündeln nahe der Wirbelsäule (Ganglien), Gefäßen oder in Organen wie den Mandeln, also ganzen möglichen Störfeldern.
Wie wirkt eine Neuraltherapie?
Durch das Betäubungsmittel wird vor allem die Reizübermittlung über die Nerven für einen kurzen Zeitraum unterbrochen. Dadurch werden gestörte Regelkreise aufgehoben und der Körper dazu animiert, sich neu auszurichten. Die automatischen Regulationsmechanismen werden aktiviert. Zusätzlich wird die Durchblutung in dem betreffenden Areal angeregt, was die Selbstheilungskräfte fördern soll.
Obwohl das Betäubungsmittel zumeist nur in die Haut und knapp darunter gelangt, scheint es nicht nur eine lokale Wirkung zu haben. Auch Beschwerden, die durch eine Erkrankung der inneren Organen hervorgerufen werden, lassen sich so behandeln. Die Neuraltherapie hat demzufolge auch eine Fernwirkung. Fachleute gehen daher davon aus, dass die Organe eine Verbindung zur Körperoberfläche haben und dass diese wahrscheinlich über das vegetative Nervensystem hergestellt wird.
Wie schnell die Wirkung eintritt, hängt stark von der Erkrankung ab und ob das Störfeld erreicht werden konnte. Bei akuten Schmerzen kann die Schmerzlinderung schon nach kurzer Zeit eintreten. Chronische Erkrankungen sind dagegen schwieriger zu therapieren. Die Stimulation und Neuregulation des Nervensystems dauert hierbei deutlich länger und macht bei manchen Betroffenen mehrfache Injektionen notwendig.
Hat eine Neuraltherapie Nebenwirkungen?
Wie jeder medizinische Eingriff oder Medikationen anderer Art kann auch die Neuraltherapie Nebenwirkungen verursachen. Bei sachgerechter Anwendung kommen diese jedoch nicht sehr häufig vor. Möglich sind Reaktionen an der Einstichstelle wie zum Beispiel:
- Rötungen
- Schwellungen
- Blutergüsse (Hämatome)
Des Weiteren kann das Betäubungsmittel körperliche Reaktionen hervorrufen, wie:
- Leichter Muskelkater
- Schwindel
- Geschmacksveränderungen
- Leichtes Zittern
- Irritation der Nerven
- Schwitzen
- Allergische Reaktion (eher selten)
Die meisten dieser unerwünschten Ereignisse sind kurzweilig und verschwinden nach einiger Zeit von selbst wieder.
Grundsätzlich besteht das Risiko eines allergischen Schocks, wenn Betroffene gegen den Wirkstoff allergisch sind. Daher gilt es, dies unbedingt im Voraus mit dem Arzt oder Heilpraktiker abzuklären.
Wann kommt eine Neuraltherapie nicht infrage?
So vielseitig eine Neuraltherapie ist, darf sie dennoch in manchen Situationen nicht eingesetzt werden. Dazu zählen vor allem:
- akute Entzündungen der Haut
- schwere Infektionskrankheiten
- Allergien gegen das Betäubungsmittel
- einige Erkrankungen des Immunsystems
- Blutgerinnungsstörungen
Wer übernimmt die Kosten einer Neuraltherapie?
Ob die Kosten für eine Neuraltherapie von der Krankenkasse übernommen werden, hängt von der Art der Therapie und den Leistungen der Krankenkasse ab. Einige bezahlen beispielsweise nur die Kosten einer Segmenttherapie, die einer Störfeldtherapie jedoch nicht. Andere hingegen leisten keine Zahlungen. Informieren Sie sich daher vorab, was im Leistungsspektrum Ihrer Krankenversicherung enthalten ist.
Veröffentlicht am: 23.06.2025
Quellen
[1] Internationale medizinische Gesellschaft für Neuraltherapie nach Huneke (IGNH): Neuraltherapie. https://ignh.de/
[2] Fachverband Deutscher Heilpraktiker e.V.: Neuraltherapie. https://www.heilpraktiker.org/neuraltherapie
[3] Schmerz- und Palliativzentrum Rhein-Main: Neuraltherapie. https://www.schmerzzentrum-rhein-main.de/behandlungen/neuraltherapie/
[4] Die Techniker: Neuraltherapie: Nadel mit großer Wirkung? https://www.tk.de/techniker/gesundheit-und-medizin/behandlungen-und-medizin/alternativ-heilen/neuraltherapie-nadel-mit-grosser-wirkung-2016246
[5] Bund Deutscher Heilpraktiker (BDH): Neuraltherapie. https://www.bdh-online.de/lexikon/neuraltherapie/
[6] Hahn-Godeffroy, J. D. et al.: Langanhaltende Besserung von somatischen und psychovegetativen Störungen unter Procain-Infusionen: Eine multizentrische Anwendungsbeobachtung. Complement Med Res. 2019;26 (1):13–21
[7] Engel, R. et al.: The Influence of Modern Neurophysiology on the Previous Definitions of “Segment” and “Interference Field” in Neural Therapy. Complement Med Res. 2022;29(3):257–267.
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